13. - 16. November 2022
35. Deutscher Krebskongress
CityCube Berlin
Auf dem Deutschen Krebskongress kommt auch die Diskussion zu politischen Themen nicht zu kurz. Ein Beispiel dafür ist die Plenarsitzung Politic meets Oncology II: COVID-19-Pandemie – lessons to be learned. Bundesgesundheitsminister Prof. Lauterbach, Virologe Prof. Streeck, Medizinethikerin Prof. Buyx und Charité-Vorstandsvorsitzender Prof. Kroemer werden das Thema aus ihren unterschiedlichen Blickwinkeln diskutieren.
In diesem Interview ordnet Prof. Thomas Seufferlein, DKG-Präsident und Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin am Universitätsklinikum Ulm, das Thema aus seiner Sicht als Kliniker ein, berichtet, welche Lehren er gezogen hat und äußert Wünsche an die Politik.
Professor Seufferlein, seit 2020 begleitet uns die Corona-Pandemie. Wie haben Sie persönlich die Lage in Ihrem Krankenhaus wahrgenommen und wie hat sie sich im Laufe der zwei Jahre verändert?
Die Corona-Pandemie hat im Krankenhaus sehr viel verändert. Auf Seiten der Mitarbeitenden war vor allem zu Beginn der Pandemie die Versorgung so vieler Schwerstkranker eine wirkliche Herausforderung, wir mussten viele Prozesse neu aufsetzen, reorganisieren und wieder reorganisieren, was nur möglich war, da alle in der Klinik hervorragend zusammengearbeitet haben. Diese Belastungen haben aber auch viele Menschen an ihre absolute Grenze gebracht und dies über einen sehr langen Zeitraum.
Durch die Impfungen wurde etliches erleichtert, allerdings entstanden neue Herausforderungen, da die Impfungen wiederholt werden müssen und sich durch neue Virusvarianten neue Infektionsszenarien ergeben. Die aktuelle Omikron-Variante belastet uns erfreulicherweise nicht mehr so sehr auf den Intensivstationen, dafür aber erkranken sehr viele Mitarbeitende im Krankenhaus, was wiederum die ohnehin schon sehr angespannte Personalsituation weiter verschärft.
Auf Seiten der Patient*innen haben sich auch für die nicht von einer schweren COVID-19 Infektion Betroffenen erhebliche Belastungen ergeben. Operationstermine rückten in weitere Ferne oder mussten mangels Kapazität auf den Intensivstationen immer wieder verschoben werden. Dies ist vor allem für Patient*innen mit einer Tumordiagnose extrem belastend, da ja immer die Sorge im Hinterkopf ist, dass sich der Tumor weiter ausbreitet. Hinzu kommt, dass zeitweise Patientenbesuche im Krankenhaus gar nicht oder nur in deutlich reduziertem Umfang möglich waren. Aktuell normalisiert sich die Lage wieder, aber es gibt viele Punkte die aufzuarbeiten sind. Dazu kommt, dass etliche Patient*innen wegen einer anderen Erkrankung ins Krankenhaus aufgenommen werden, allerdings zugleich eine COVID-19 Infektion haben, was dann spezielle Isolationsmaßnahmen erfordert. Zudem beobachten wir eine zunehmende Zahl von Menschen, die an Spätfolgen ihrer COVID-Erkrankung leiden.
In der Plenarsitzung wird zum Thema „Lessons to be learned“ diskutiert werden. Welche Lehren ziehen Sie als Kliniker aus dem Verlauf, den Sie gerade beschrieben haben?
Ich sehe fünf Punkte:
Wie blicken Sie auf den kommenden Herbst und Winter, was die Corona-Sitation in den Krankenhäusern angeht?
Der amerikanische Präsident hat die COVID-Pandemie für beendet erklärt. Ich sehe das noch nicht so, dafür haben wir aktuell zu viele erkrankte Mitarbeitende in der Klinik. Ich hoffe, dass wir durch COVID-19 Impfungen und -Erkrankungen eine gute Grundimmunisierung in der Bevölkerung erreichen, so dass wir insbesondere keine so schweren Verläufe der Erkrankung mehr sehen. Eine Rolle spielen dabei auch die angepassten Impfstoffe. Ein Unsicherheitsfaktor sind aber immer noch mögliche neue Virusvarianten. Ich bin auch überzeugt, dass nicht darum herumkommen werden, weiter Mund-Nasenschutz zumindest in geschlossenen Räumen zu tragen. Ich denke wir haben uns daran gewöhnt – es ist ein zumutbares Übel und verhindert Infektionen, die auch zu Ausfällen von Personal führen, die wir uns gerade im Gesundheitswesen nicht leisten können.
Welche Maßnahmen oder welche Unterstützung wünschen Sie sich konkret von der Politik?
Konkret von der Politik würde ich mir ein koordiniertes und abgestimmtes Vorgehen wünschen, das bundeseinheitliche Regelungen vorsieht, die für die Bevölkerung einfach nachvollziehbar sind und auch stringent umgesetzt werden, einen Ausbau des öffentlichen Gesundheitswesens -gerade auch im Bereich Digitalisierung- , eine Unterstützung bei der Koordination von Krankenhauskooperationen, Investitionen in Intensivmedizin und Pflege, und last not least weiterhin eine aktive Impfkampagne. Wissenschaftlich würde ich mir nachhaltig finanzierte Registerstrukturen an Kliniken und Praxen wünschen, die uns ermöglichen, Pandemien in Zukunft noch besser wissenschaftlich zu begleiten und schneller relevante Schlüsse für die klinische Praxis zu ziehen.
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