Immunabwehr auf den Kopf gestellt

Dr. Lisa Sevenich leitet eine Forschungsgruppe am Georg-Speyer-Haus, Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie in Frankfurt/Main.
© Uwe Dettmar

Dr. Lisa Sevenich leitet eine Forschungsgruppe am Georg-Speyer-Haus, Institut für Tumorbiologie und experimentelle Therapie in Frankfurt/Main. Die Forschungsgruppe wird gefördert durch das Max-Eder-Nachwuchsgruppenprogramm der Deutschen Krebshilfe. Mit ihrem Team untersucht sie die Bedeutung der Tumormikroumgebung für die Hirnmetastasierung. Im Interview berichtet Dr. Sevenich, wieso sie ausgerechnet zu Hirnmetastasen forscht und welche Rolle das DKK-Motto „Fortschritt gemeinsam gestalten“ in ihrer Arbeit spielt.

Sie beschäftigen sich in Ihrer wissenschaftlichen Arbeit mit Hirnmetastasen. Warum genau diese Spezialisierung?
Dr. Lisa Sevenich:
Das Hirn ist ein faszinierendes Organ. Normalerweise ist es immunologisch abgeschirmt – mit einem Tumor verhält sich plötzlich alles anders. Als Naturwissenschaftlerin wollte und will ich diese Mechanismen, über die wir bisher noch zu wenig wissen, genauer verstehen. Außerdem sind viele Krebspatientinnen und -patienten von Hirnmetastasen betroffen, und es werden mehr. Diesen Menschen möchte ich helfen, indem ich von präklinischer Seite dazu beitrage, dass es zukünftig bessere Therapiemöglichkeiten gibt.

Und woran forschen Sie genau?
Mein Team und ich betrachten die Wechselwirkungen zwischen Tumor- und Immunzellen. Wie schafft es der Tumor, die Abwehrreaktion des Hirns, die im Normalfall abläuft, umzukehren? Wie können wir Immunreaktionen unterdrücken, um lokale Immuntherapien anzuwenden? Um solche Fragen zu beantworten und die genauen Mechanismen zu verstehen, arbeiten wir im Mausmodell, mit Zellkulturen und mit Gewebe von Betroffenen.

Inwieweit könnte Ihre Arbeit später Menschen zugutekommen?
Bei etwa 20 Prozent der Erkrankten mit Melanomen, Lungen- oder Brustkrebs bilden sich Hirnmetastasen. Die Überlebensprognose liegt dann häufig nur noch bei einigen Monaten. Die Therapieantwort ist schlecht und die Lebensqualität leidet stark, weil die Metastasen eben Auswirkungen auf das Hirn haben. Aktuell haben wir einen vielversprechenden Signalweg im Blick, um die Immunantwort des Hirns gegen die Tumoren wieder herzustellen – mit einer verdoppelten Überlebensrate im Mausmodell. Diesen Signalweg haben wir auch im Gewebe von Patientinnen und Patienten gefunden. Im nächsten Schritt könnten diese Ergebnisse in klinischen Studien angewendet werden und die Therapieoptionen verbessern.

Das diesjährige Motto des DKK ist „Fortschritt gemeinsam gestalten“. Was bedeutet das für Sie in Bezug auf Ihre Arbeit?
Ohne Zusammenarbeit kommen wir nicht weit. Wir Naturwissenschaftler*innen müssen eng mit Kliniker*innen zusammenarbeiten, nur so funktioniert‘s. Speziell in der Forschung zu Hirnmetastasen ist auch der ständige Austausch und der Schulterschluss zwischen den Fachdisziplinen nötig, weil die Erkrankung hochkomplex ist. Und natürlich gehören auch Betroffene und ihre Angehörigen dazu. Wir müssen beispielsweise besser mit Patientenvereinigungen kommunizieren und unsere Fortschritte gut einordnen, um Hoffnung zu machen, aber auch keine unrealistischen Erwartungen zu schüren.

Was motiviert Sie persönlich bei Ihrer Arbeit?
Neben dem reinen Interesse an den Mechanismen ist es das Wissen, dass wir einen Beitrag leisten, der den erkrankten Menschen zugutekommt. Außerdem habe ich ein großartiges Team. Es motiviert mich zu sehen, wie alle in die Themen reinwachsen und sich entwickeln. Und wenn wir wissenschaftliche Erfolge feiern können, sind das Momente, in denen ich sehe: Wow, wir haben tolle Ergebnisse, alles passt zusammen – unsere Arbeit ergibt Sinn!

Warum ist der DKK für Sie als Nachwuchswissenschaftlerin interessant?
Die Vielfalt an Sessions: Da ist wirklich für jeden etwas dabei, und es gibt viel neuen Input. Und natürlich der Austausch und die Vernetzung mit Kolleginnen und Kollegen.

Infos für Nachwuchskräfte

Im Rahmen des DKK findet der Tag der jungen Onkolog*innen und ein Studierendentag statt. Hier erfahren Sie mehr über die Angebote speziell für Young Professionals.