Förderschwerpunkt präklinische Wirkstoffentwicklung
Interview mit Prof. Dr. Stefan Knapp, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Die Deutsche Krebshilfe stellt auf dem DKK 2024 ihren neuen Förderschwerpunkt "Präklinische Wirkstoffentwicklung" vor. Mit diesem Programm will sie den Schnittpunkt zwischen Grundlagenforschung und klinischen Studien ausbauen. Die präklinische Wirkstoffentwicklung setzt da an, wo die molekularbiologischen Mechanismen einer Krankheit weitestgehend aufgedeckt sind und ein Wirkstoff zur Behandlung identifiziert und geprüft werden muss. Erst wenn die präklinische Phase abgeschlossen ist, kann ein Medikament in klinischen Studien am Patienten getestet werden. Das Ziel der im Rahmen des Förderschwerpunktes initiierten Projekte ist der Aufbau von nationalen Netzwerken zur Bereitstellung einer Pipeline, die die Entwicklung neuer Wirkstoffe bis hin zum Einsatz in klinischen Studien umfasst. Insgesamt stellt die Deutsche Krebshilfe Fördergelder in Höhe von 20 Millionen Euro für einen Zeitraum von fünf Jahren bereit. Gefördert werden damit drei großangelegte Projekte, die Wissenschaftler an mehreren deutschen Forschungsstandorten zusammenbringen.
Professor Dr. Stefan Knapp vom Institut für Pharmazeutische Chemie der Goethe-Universität Frankfurt am Main war als Mitglied des Fachausschusses "Klinische Forschung/kliniknahe Grundlagenforschung" der Deutschen Krebshilfe maßgeblich an der Konzeption des Förderschwerpunkts beteiligt. Zudem leitet er eines der drei geförderten Forschungsvorhaben. Darin geht es um die Entwicklung sogenannter niedermolekularer Wirkstoffe für die Krebsmedizin. Diese zeichnen sich durch ihre geringe Größe aus, die das Eindringen in Zellen und Gewebe erleichtert. Im Interview erläutert Professor Knapp die Bedeutung des Förderschwerpunkts im Rahmen des diesjährigen Kongressmottos "Fortschritt gemeinsam gestalten".
Herr Professor Knapp, Sie haben das neue Förderschwerpunktprogramm "Präklinische Wirkstoffentwicklung" begleitet, von der Konzeption bis hin zur Ausschreibung. Was hat die Deutsche Krebshilfe dazu bewogen, dieses Förderprogramm aufzulegen, und was ist das Ziel?
Prof. Knapp: Mit diesem Programm soll die Entwicklung innovativer Therapiekonzepte in der Krebsforschung deutlich gestärkt werden. Dabei geht es nicht nur um neue Medikamente, sondern auch um die Etablierung von Plattformen und Datenbanken für die Wirkstoffentwicklung, die bundesweit auch für andere Labore im Bereich der Krebsforschung zugänglich gemacht werden sollen. Insgesamt werden drei Projekte von der Deutschen Krebshilfe gefördert – die zellbasierte Therapie mit dem Programm „CAR Factory“, das von Professor Dr. Michael Hudecek am Universitätsklinikum Würzburg koordiniert wird, die proteinbasierte Therapie mit dem Programm THUNDER, mit Professor Dr. Katja Weisel am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf als Koordinatorin, sowie die Entwicklung niedermolekularer Wirkstoffe mit dem Programm TACTIC, das von mir von der Universität Frankfurt aus koordiniert wird.
Das Motto des DKK 2024 ist "Fortschritt gemeinsam gestalten". Wie wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Fachbereichen und Disziplinen während der präklinischen Wirkstoffentwicklung?
Der lange und multidisziplinäre Weg von der Identifizierung bis zum präklinischen und klinischen Wirkstoff macht deutlich, dass die Wirkstoffentwicklung die Zusammenarbeit vieler verschiedener Disziplinen wie Chemie, Biochemie, Zellbiologie, Pharmakologie und natürlich der Medizin erfordert. Dies setzt voraus, dass jede der beteiligten Forschungsdisziplinen sich der Herausforderungen in anderen Bereichen bewusst ist. So müssen beispielsweise Medizinalchemiker auch in der Lage sein, mit Onkologen und Pharmakologen konstruktiv zu diskutieren und die Beiträge dieser Disziplinen realistisch einzuschätzen. Darin besteht gleichzeitig die größte Herausforderung. Dennoch erfordert die Wirkstoffentwicklung ein multidisziplinäres Netzwerk, da viele Aspekte der Wirkstoffentwicklung in der Regel nicht allein in einem isolierten Forschungslabor bearbeitet werden können. Hinzu kommt, dass verschiedene Entwicklungsplattformen für einzelne akademische Gruppen oft nicht zugänglich sind oder aus Kostengründen nicht genutzt werden können.
Die Deutsche Krebshilfe fördert im Rahmen des neuen Programms drei unterschiedliche Großprojekte, die gleichzeitig untereinander vernetzt werden sollen. Was sind die Aufgaben und Ziele dieses Netzwerkes?
Jedes Großprojekt hat natürlich primär seine eigenen Ziele für die Entwicklung von Therapien. Darüber hinaus wird jedoch jedes Projekt Plattformen einrichten, die für die Entwicklung der verschiedenen Wirkstoffe wichtig sind und die auch der akademischen Krebsforschung zur Verfügung gestellt werden. Die Vernetzung zwischen den Projekten wird dazu dienen, Synergien zwischen diesen komplementären Ansätzen der Therapieentwicklung zu nutzen. Eines der Hauptziele unseres Netzwerkes ist es dabei, andere akademische Gruppen außerhalb des Förderprogramms zu beraten und die Plattformen, die wir innerhalb von TACTIC, THUNDER und CAR FACTORY aufgebaut haben, für alle zugänglich zu machen. Wichtig ist auch, dass Schlüsselreagenzien und tumor- und krankheitsrelevante Zellmodelle offen zugänglich sind. Dadurch wird ermöglicht, neue Therapieansätze möglichst breit in Zusammenarbeit mit anderen Arbeitsgruppen zu testen.
Was denken Sie über die Zukunft des Forschungsstandorts Deutschland in der Onkologie?
Deutschland bietet hervorragende Voraussetzungen sowohl für die onkologische Grundlagenforschung als auch für die Translation von Forschungsergebnissen in die Klinik. Für die onkologischen Translationsnetzwerke gibt es zum Beispiel das vom Deutschen Krebsforschungszentrum organisierte Netzwerk DKTK (Deutsches Konsortium für Translationale Krebsforschung), an dem auch die Goethe-Universität Frankfurt und viele von der Deutschen Krebshilfe geförderten Einrichtungen des Förderschwerpunkts "Präklinische Wirkstoffentwicklung" beteiligt sind. Im Bereich der Entwicklung kleiner Moleküle gibt es jedoch nur wenige Institute, die jeden Schritt des komplexen Entwicklungsprozesses ausführen können. Der neue Förderschwerpunkt "Präklinische Wirkstoffentwicklung" der Deutschen Krebshilfe schließt daher eine wichtige Lücke, die die Entwicklung von neuen Therapiekonzepten an akademischen Instituten deutlich verbessern wird.
Sitzungen
Prof. Dr. Stefan Knapp wird am Mittwoch, 21.02.2024, 16.45 ‒ 17.45 Uhr an der Sitzung "Netzwerk der Deutschen Krebshilfe zur präklinischen Wirkstoffentwicklung" teilnehmen. Hier werden zudem die drei geförderten Großprojekte vorgestellt.